Immer wieder berichten Aussteller, dass die Zahl der Messebesucher rückläufig ist. Es ist lang kein Selbstläufer mehr, da die digitale Welt mit ihren zahlreichen Möglichkeiten, der Messe die Show stiehlt. Seien es Webinare oder Produkt-Handouts, die einfach heruntergeladen werden können; alles ist besser zugänglich als ein Messebesuch. Was ist die Lösung? Von dem Channel “Messe” zurückziehen oder sich den Herausforderungen stellen?
Dazu haben wir eine Expertin aus diesem Bereich befragt. Katrin Taepke berichtet über Ihre Herausforderungen und beschreibt, wie Sie diese meistern konnte.
1. Welche Erfahrungen hast Du bisher im Messeumfeld gemacht? Sowohl als Aussteller als auch Organisator
Jetzt verrate ich etwas über mein Alter. Direkt nach dem Abitur bin ich im Jahr 1996 in die Messewelt eingestiegen. Das heißt: Ich habe an der Berufsakademie Ravensburg ein Duales Studium mit dem Schwerpunkt Messewirtschaft absolviert. Mein Praxispartner war die Messe Berlin. Seit dem und viele Jahre danach habe ich Messen organisiert. Da waren viele unterschiedliche Themen, Zielgruppen und Größenordnungen dabei. Die kleine touristische Endverbrauchermesse in Görlitz, die herausfordernde Gemeinschaftsbeteiligungen deutscher Unternehmen in Khartoum (Sudan) oder Tripolis (Libyen), Personal-Fachmesse in der Schweiz oder auch so riesige Messen wie die Internationale Touristikbörse Berlin und viele mehr. 2007 bin ich dann in die Kongresswelt eingestiegen. Auch da habe ich viele Ausstellungen im Rahmen dieser Veranstaltungen begleitet. Als Aussteller war ich auch auf einigen Messen aktiv. Meistens um dort die eigene Veranstaltung vorzustellen.
2. Was waren die größten Herausforderungen in diesen Bereichen?
Da gibt es viele. Aussteller wollen natürlich ihre Kunden erreichen. Dass sie an ihren Ständen die richtigen Besucher antreffen, ist also ein Teil meines Jobs. Außerdem möchte ich mit den Aussteller-Umsätzen (und denen der Teilnehmer) meine Messe oder meinen Kongress finanzieren. Damit das gelingt, muss ich die richtigen Pakete für beide Seiten schnüren. Und ich muss beiden im Vorfeld klar machen, dass sie bei mir richtig sind. Dieses Versprechen muss ich dann natürlich auf der Messe einlösen. Gelingt mir das langfristig nicht, bleiben sie weg. Ich denke, das ist die grundsätzliche Herausforderung. Die im Detail komplexer ist, als sie jetzt klingt.
Und dann gibt es da noch die vielen kleinen organisatorischen Herausforderungen: Jeder möchte den besten Platz haben, Sonderaufbauzeiten in Anspruch nehmen, Werbeflyer verteilen, Popcorn-Maschinen aufstellen und vieles mehr.
3. Wie bist Du bzw. ihr diesen Herausforderungen begegnet?
Da heißt es flexibel sein. Möchte ein Aussteller oder ein Sponsor das angebotene Paket so nicht buchen und hat einen kreativen Alternativvorschlag, Ja, warum denn nicht! Kommt in Evaluationen heraus, dass das Programm oder die Ausstellungszeiten sich ändern sollten, haben wir das meistens gemacht. Ich habe gute Erfahrungen gemacht, die Wünsche von Ausstellern wirklich zu hören und zu erfüllen. Damit meine ich nicht die Rabattjäger sondern konstruktive Wünsche an den Veranstalter. Wer den Hörer in die Hand nimmt und nachfragt, bekommt oft sehr gute Anregungen. Man darf sich auch mal bei der Konkurrenz umschauen, was funktioniert ?
4. Haben sich die Messen in den letzten 10 Jahren im Hinblick auf Teilnehmer- und Ausstelleranzahl verändert?
Ich sehe sowohl Messen, die derzeit durch die Decke gehen als auch diejenigen, die auf dem absteigenden Ast sind. Wer die richtigen Zielgruppen auf Besucher- und Ausstellerseite zusammenbringt, hat schon viel gewonnen. Wenn nun die Aussteller als Partner der Messe und nicht als lästige Finanzgeber verstanden werden, kann kaum noch etwas schief gehen. Was sich meiner Meinung nach verändert hat: Veranstalter müssen sich mehr Mühe geben. Die, die’s tun, sind sehr erfolgreich.
5. Was müssen die Aussteller heutzutage anders machen als noch vor 5 Jahren?
Aussteller brauchen ein Messekonzept.
Das ist allerdings schon länger als seit 5 Jahren so. Ist aber so enorm wichtig. Ich sehe immer noch Aussteller, die sich auf ihrem Stand hinter ihrem Laptop verstecken und Büroarbeit erledigen. Dass das nicht funktioniert, ist ziemlich klar. Doch nicht selten kommen gerade diese Aussteller zum Veranstalter und beschweren sich über die mangelnde Besucherresonanz. Wer ein gutes Messekonzept hat, der lockt auch die richtigen Besucher an. Aus meiner Sicht gehört dazu mehr als eine Broschüre, die ausliegt. Beispielsweise Mini-Vorträge am eigenen Stand passend zu den Interessen der Besucher. Werbepräsente, die zur Zielgruppe passen, find ich auch super. Ich war kürzlich auf einer Karrieremesse für Frauen. Da hat beispielsweise ein Automobilzulieferer Nagellack in der Farbe des Unternehmenslogos verteilt. Toll, oder? Ein anderes Beispiel: Auch auf dieser Messe hat ein Sponsor Aufladestationen für Smartphones aufgestellt. Da wir heutzutage ohne Smartphone das Haus gar nicht mehr verlassen, passt das auf jede Veranstaltung. Ich sehe es zwar immer öfter, doch da liegt noch Potenzial.
6. Was denkst Du, wie eine Messe im Jahre 2023 aussehen wird? Was muss aus Sicht der Organisatoren verändert werden, wie gehen die Aussteller damit um und ist dieses Format überhaupt noch interessant für potenzielle Kunden?
2023 checke ich als Teilnehmer auf jeden Fall selbst ein. Mit einem digitalen Tool oder per Gesichtserkennung. Papiertickets sind dann hoffentlich passé. Die Aussteller, die mich interessieren, hab ich vorher schon ausfindig gemacht. Das kann ich zwar heute schon. Doch spätestens 2023 kann ich auch mit allen einen Termin vereinbaren. Online versteht sich. Wen ich sonst noch interessant finde könnte, den sehe ich in einer Networking-App.
Organisatoren müssen viel mehr digitale Tools anbieten als bisher. Über diese Tools wird dann auch der Erfolg der Messebeteiligung für den Aussteller noch leichter ermittelbar. Das ist dann auch das Argument gegenüber dem Veranstalter, ob er noch einmal kommt oder nicht.
Reale Messen und Ausstellungen wird es auch 2023 noch geben. Virtuelle sind aus meiner Sicht nur begleitend sinnvoll. Damit ich jedoch als Aussteller oder als Besucher komme, möchte ich meine Zeit sinnvoller nutzen. Ich möchte weniger dem Zufall überlassen. Treffe ich wirklich meine Wunschkunden oder -aussteller? Treffe ich wirklich für mich spannende neue Kontakte? Das möchte ich natürlich im Vorfeld wissen. Also bevor ich buche. Je transparenter diese Informationen sind, desto besser für meine Buchungsentscheidung. Wie wir das mit der großen Herausforderung, der DSGVO, meistern, ist mir noch ein Rätsel. Aber auch das werden wir schaffen.
7. Wie siehst Du die aktuelle Entwicklung hinsichtlich immer stärkerer Digitalisierung? Ist das in Deinen Augen ein Show Stopper für das Format Messe?
Ich bin ja ein totaler Digitalisierungsfan. Gebe ich gern und offen zu. Allerdings sind meines Erachtens echte Messen und Ausstellungen durch nichts zu ersetzen. Ich denke, wir brauchen digitale Tools zur Prozessoptimierung. Aber nicht, um Messen, Kongresse & Co. virtuell durchzuführen. Und natürlich wird der ein oder andere Teilnehmer nun vor dem Bildschirm am Event teilnehmen. Doch beim nächsten Mal kommt er vielleicht wieder. Außerdem – so geht es mir zumindest – teile ich die gestreamten Inhalte der Veranstaltung so oft und gern, dass sich über diese kostenfreie Werbung und Reichweite jeder Veranstalter nur freuen dürfte.
Erfahre mehr über über die Eventbranche auf dem Blog rund um digitale Tools und interaktive Eventformate von Katrin Taepke.