Der erste Eindruck zählt: Diese Aussage gilt nicht nur für Bewerber, sondern auch für Arbeitgeber. Denn ein angenehmes Bewerbungserlebnis verhilft einem Unternehmen zu einem positiven Image. In Zeiten des Employer Branding stützt sich viel auf die Zufriedenheit des potenziellen Arbeitnehmers – und gleichzeitig auch auf dessen Candidate Experience.
Was versteht man unter Candidate Experience?
Unter dem Begriff „Candidate Experience“ versteht man die Gesamtheit aller Erfahrungen und Eindrücke, die ein Bewerber während des Einstellungsprozesses mit einem Arbeitgeber sammelt. Zu diesem Prozess gehören die Jobsuche, das Bewerbungsgespräch und das Auswahlverfahren. Der Fachkräftemangel ist ein Damoklesschwert, mit dem sich heutzutage die meisten Arbeitgeber konfrontiert sehen. Deshalb liegt es in ihrem Interesse, den Bewerbungsprozess für potenzielle Arbeitnehmer möglichst angenehm zu gestalten. Das Bewerbungsgespräch ist längst keine Einbahnstraße mehr: Laut der Studie „Bewerbungspraxis 2013“, die von den Universitäten Bamberg und Frankfurt durchgeführt wurde, lehnen rund 60 % aller Bewerber ein Stellenangebot aufgrund negativer Eindrücke beim Bewerbungsgespräch ab.
Unternehmen müssen vollen Einsatz leisten, um talentierte Bewerber anzulocken. Dabei greifen viele Arbeitgeber zu unlauteren Taktiken. Jobkandidaten werden rosige Versprechen gemacht, das Unternehmen wird in Broschüren und in Recruiting-Kampagnen hochgejubelt – doch die Realität sieht oft ganz anders aus. Leider fliegt die Schönfärberei spätestens beim Bewerbungsgespräch auf. Selbst die Bewerbungsformulare sind für Kandidaten oft Grund genug, den Bewerbungsprozess abzubrechen. So kann es rund 45 % aller Kandidaten nicht schnell genug gehen: Sie sind der Meinung, das Ausfüllen eines Bewerbungsformulars dürfe nicht mehr als zehn Minuten in Anspruch nehmen. Viele Arbeitgeber jedoch haben Mühe, mit der fortschreitenden Digitalisierung mitzuhalten und kommen somit zu kurz.
Warum ist die Candidate Experience so wichtig?
Heutzutage hat es sich schnell herumgesprochen, wenn ein Unternehmen Fehler begeht. Und haftete einem Arbeitgeber erst einmal ein schlechter Ruf an, ist es fast unmöglich, diesen wieder loszuwerden. Kandidaten hinterlassen ihr Feedback auf Arbeitsgeberbewertungsportalen, die wiederum von anderen potenziellen Kandidaten aufgesucht werden. Eine negative Bewertung führt dazu, dass sich weniger – und vor allem weniger talentierte und qualifizierte Bewerber – um eine Stelle bei dem betroffenen Unternehmen bemühen. Darüber hinaus wirkt sich eine positive Candidate Experience auch auf neu eingestellte Mitarbeiter aus, denn sie treten ihre Stelle mit Optimismus an und bleiben auch über längere Zeit hinweg zufrieden.
Eine größtenteils positive Candidate Experience kann sich auf verschiedene Weise auf den Arbeitgeber auswirken. Neben entsprechenden Bewertungen auf Karriereportalen, die unter Bewerbern Vertrauen schaffen, dient das positive Feedback dem Aufbau einer starken Präsenz, die die Abgrenzung und die Differenzierung zu anderen Arbeitgebern erst möglich macht.
Das sind die Folgen einer schlechten Candidate Experience
Schlechte Bewertungen verbreiten sich in Windeseile – die Folgen können verheerend sein. Unzufriedene Kandidaten machen ihrem Unmut immer häufiger Luft, zumal ihnen verschiedene Arbeitgeberbewertungsportale eine ideale Plattform dafür liefern. Laut einer von der Harvard University durchgeführten Studie bedarf es fünf positiver Bewertungen, um eine negative Bewertung zu neutralisieren. Da sich dieses Verhältnis jedoch nur sehr schwer erreichen lässt, ist ein anderer Ansatz erforderlich. Deshalb ist es im Interesse des Arbeitgebers, es erst gar nicht so weit kommen zu lassen und von vornherein für eine positive Candidate Experience zu sorgen.
Zu den am häufigsten genannten Kritikpunkten gehören eine schlechte Kommunikation und überhöhte Versprechen vonseiten des Arbeitgebers. Viele Bewerber geben an, mehrere Monate auf eine Einladung zum Vorstellungsgespräch gewartet zu haben. Als die Einladung erfolgte, war der sprichwörtliche Zug schon längst abgefahren. Aber nicht nur für potenzielle, sondern auch für existierende Mitarbeiter ist eine negative Candidate Experience ein Grund, sich nach einer anderen Stelle umzusehen. Arbeitgeber verlieren hoch qualifizierte und motivierte Mitarbeiter aufgrund von Fehlern, die sich ohne Weiteres hätten vermeiden lassen.
Welche Maßnahmen zur Verbesserung können in den Recruitingprozess integriert werden?
Wenn ein Unternehmen entsprechende Maßnahmen ergreifen möchte, um die Candidate Experience zu optimieren, muss zunächst eine Analyse der bisherigen Fehler sowie ein Bericht über die Zufriedenheit potenzieller Mitarbeiter vorliegen. Auf Arbeitgeberbewertungsportalen lässt sich einsehen, was Bewerber und Mitarbeiter zu beanstanden haben und welche Punkte am häufigsten angeprangert werden. Darüber hinaus ist es eine gute Idee, Kandidaten nach dem Bewerbungsprozess um Feedback zu bitten. Einerseits lassen sich dadurch wichtige Informationen einziehen, andererseits zeigt der Arbeitgeber, dass ihm die Meinung seiner Arbeitnehmer am Herzen liegt.
Um Veränderungen in Gang zu setzen, müssen Schwachstellen identifiziert werden. Ein ausgezeichneter Ansatzpunkt ist die Datenanalyse von Stellenbezeichnungen auf der Karriereseite: Bei einer hohen Bounce-Rate besteht in diesem Bereich Nachholbedarf. So kann beispielsweise auf eine detailliertere Beschreibung der Position eingegangen werden. Generell sollten Unternehmen den Kontakt zu potenziellen Mitarbeitern suchen und diesen auch vereinfachen. Das gilt auf Fachmessen ebenso wie im Online-Bereich. Zudem lohnt es sich, eine zielgruppenspezifische Ansprache zu verfolgen: Bei einem Kandidaten-Pool, der bei der Stellensuche überwiegend das Smartphone benutzt, sollte die Karriereseite Conversion-optimiert werden. Die Datenanalyse liefert außerdem wichtige Informationen zu den Kanälen, die am erfolgreichsten sind. Deshalb wird es Unternehmen geraten sich vor allem auf diejenigen Kanäle konzentrieren, die von Bewerbern am häufigsten genutzt werden.